Die Theoristin
Karthaus, Stefan
Jonas, geb.1986, trifft als Arzt auf die ehemalige Journalistin Corlis, geb.1960. Zwischen den beiden entwickelt sich bei aller Gegensätzlichkeit ein folgenreicher Magnetismus – angetrieben von der Tatsache, dass Jonas am 26.4. geboren wurde, dem Tag des Supergaus in Tschernobyl – einem Tag, der auch in Corlis` Leben eine zentrale Bedeutung hat.
Corlis hat sich immer im Schatten der 68er gesehen, die in ihren Augen einen historischen Auftrag hatten und deren kritische Grundhaltung bei vielen auch der Ausgangspunkt einer erfolgreichen Karriere war. Sie selbst konnte sich, alles hinterfragend und immer wieder aneckend, nicht vergleichbar etablieren. Auf die Corona-Maßnahmen hat sie extrem gereizt reagiert. Politiker hält sie durchweg für unglaubwürdig und unfähig. Überall sieht sie Anzeichen für das Ende bürgerlicher Freiheit und einen allgemeinen Niedergang.
Jonas wiederum sieht Hoffnung für die Zukunft im stärkeren Einfluss der Frauen. Er stellt momentan sein berufliches Fortkommen zurück, um mit der Betreuung ihrer Kinder seine Freundin beim Wahlkampf um ein politisches Amt zu unterstützen. Bei aller Sorge um die Weltlage fühlt er sich – schon im Interesse der Kinder – zur Zuversicht verpflichtet. Ihn prägen Empathie und der Wunsch, zu helfen.
DIE THEORISTIN zeigt, wie unterschiedlich Menschen in einer Welt stehen, deren Gefährdung und Fragilität sich seit dem Supergau in Tschernobyl noch potenziert hat. Das Stück wirft die Frage auf, ob der, der trotz allem auf eine bessere Zukunft setzt, ein naiver Träumer ist – und ob die, die schwarz sehen, auf jeden Fall die Klügeren sind. Birgt ihre radikale Absage an die Welt nicht auch die Gefahr, dass sie sich selbst über alle anderen stellen und dabei jeden Gemeinsinn verlieren?