Das ganze Spiel
Ferrentino, Lindsey
Nach drei Einsätzen in Afghanistan kehrt Jess nach Florida zurück. In einer kleinen Stadt an der Weltraumküste muss sich Jess ihren Narben stellen – und einem Zuhause, das sich möglicherweise mehr verändert hat als sie selbst. Sie experimentiert mit einer bahnbrechenden Virtual-Reality-Therapie und baut eine atemberaubende neue Welt auf, in der sie ihrem Schmerz entfliehen kann. Dort beginnt sie, ihre Beziehungen, ihr Leben und langsam sich selbst wiederherzustellen.
Zur Übersetzung von Ugly Lies The Bone
Der englische Dramatiker Tom Stoppard sagte einmal, alle seine Figuren sprächen wie er selbst. Das ist bei Lindsey Ferrentino glücklicherweise nicht der Fall. Jess argumentiert deutlich härter und ironischer als ihre zumeist versöhnlich gestimmte Schwester und verarbeitet ihre schwierige Situation so unverblümt wie unsentimental. Kelvin und Stevie verschanzen sich auf jeweils eigene Art hinter bemüht witzigen Bemerkungen. Stevie ist das zumindest bewusst, und er ringt ansonsten in Halbsätzen mit sich und seiner emotionalen Verfassung. Auch die Mutter von Jess und Kacie verwendet bei ihrem kurzen Auftritt direktes umgangssprachliches Englisch. Lediglich die therapeutische Stimme artikuliert formeller, jedoch ohne aufdringlichen Psychojargon.
In der deutschen Fassung galt es, diese Unterschiede zu bewahren, wobei es mir sehr entgegenkam, dass das Staatstheater Augsburg damit einverstanden war, die schlankere amerikanische Originalversion zu wählen und nicht die spätere Londoner Variante mit ihren arg didaktischen Hinzufügungen. Am National Theatre wurde immer wieder ausformuliert, was ursprünglich zu Recht unterhalb der Textoberfläche blieb und dadurch Ensemble und Regie auf den Proben die nötigen Freiräume belässt. In diesem Mut zur bloßen Andeutung liegt für mich eine der Qualitäten des amerikanischen Textes, der einfach auch stärker auf die Intelligenz des Publikums vertraut. Sometimes less is more, vor allem im Theater.
Michael Raab